Samstag, 14. Dezember 2013

Alte Bekannte

Ich überlege bei vielen Einsätzen, ob sie sich für einen Blogbeitrag eignen oder nicht. 
Einige sind zu banal, bei anderen funktioniert die Situationskomik sicher nicht, wenn man sie aufschreibt, wieder andere darf man einfach (noch) nicht erzählen... und heute überlege ich, ob es zu sehr nach "Fishing for Compliments" klingen könnte.

Aber mir ging es nicht um die Komplimente und auch nicht um die Karma-Punkte. 
Macht euch selbst ein Bild.

Ich komme gerade vom Nachtdienst. Draußen sind um die Null Grad und wir haben zwei Glatteisunfälle aufgenommen. Der Wind ist ziemlich beißend im Gesicht. Zum Glück mussten wir nicht lange in der Kälte arbeiten sondern konnten uns zwischen den meist überdachten Einsätzen im Streifenwagen aufwärmen.

Gegen Mitternacht wird uns eine hilflose Person gemeldet, die in einem Hauseingang liegen soll. Ein typischer Einsatz einer Samstagnacht. Sicher wieder eine Schnapsleiche. Womöglich haben die "Freunde" noch schnell ein Handyvideo gemacht, bevor er zu lästig wurde und sie ihn an der nächsten Ecke zurückließen. Na, dann lassen wir uns mal anpöbeln...
Als wir an der Hausecke ankommen laufen gerade ein paar Jugendliche an dem Mann vorbei, der rücklings mit angewinkelten Beinen auf den Kacheln vor einem Geschäft liegt. Prima: Die Jungs haben den doch gesehen - aber anstatt wenigstens mal zu gucken ob ihm etwas passiert ist gehen sie einfach vorbei...

Dann schauen wir eben nach dem Rechten. Zum Glück gibt es bei uns "auf dem Dorf" kaum Menschen, die sich die Winternächte auf der Straße um die Ohren schlagen müssen. Und die wenigen, die selbst keine Unterkunft mehr finden, können wir oft in eine Notunterkunft lotsen. Menschen, denen es so dreckig geht dass sie sich selbst dazu nicht mehr aufraffen können, trifft man hier sehr selten. Wollen wir doch mal sehen, wer es hier nicht bis in sein Bett geschafft hat.

Während sich unsere Schritte dem Schlafenden nähern, richtet er sich auf. Ach nee: den kenne ich doch! Ein Mann, etwa in meinem Alter, der ursprünglich aus Westafrika stammt und mit Anfang zwanzig, als ich gerade bei der Polizei anfing, sein Leben schon so gut wie weggeworfen hatte. Drogen- und Alkoholsucht hatten ihn damals schon dermaßen im Griff, dass seine Wohnung nur noch aus einem kaputten Schrank, einem stinkenden Teppich, einer durchgelegenen Matratze  und einem Haufen Scherben bestand. Dieser Haufen wuchs mit jeder Bierflasche, die er an den Wänden zerschlug. Wie viele Einsätze ich mit ihm wohl schon hatte? Zwischendurch täglich mehrere...

Ich hatte ihn jetzt mindestens fünf Jahre nicht mehr gesehen und nun wirklich nicht damit gerechnet, ihn jetzt nüchtern und ordentlich gekleidet vor mir zu haben.
"Mensch, _______, dass ich dich noch mal sehe. Was machst du denn in ______?" - ich freute mich ein bisschen, dass es ihn noch gab, und auch der Kollege war total perplex. "Wir dachten schon dich gibt's nicht mehr!"
Er erzählte bereitwillig, dass sein gesetzlicher Betreuer ihn in einiger Entfernung in eine Suchtklinik geschafft und er die Therapie bisher gut durchgehalten hatte. Der Kerl ist clean. Wie abgefahren!

Jetzt war er in seiner alten Heimat zurück und wollte eine Wohnung suchen. Da das aber leider irgendwie nicht so funktionierte, wie er es sich vorstellte war er wildentschlossen, auf der Straße zu schlafen. Zu den alten Kumpels wollte er natürlich nicht zurück, die saßen noch immer in ihren Drogi-Buden und hätten ihn sicher auf ganz blöde Ideen gebracht.

Aber was nun? Draußen schlafen bei knapp über Null Grad, mit einem Pullover und einer Steppweste? Und sich womöglich noch das gesamte Ersparte von marodierenden Partyheimkehrern abziehen lassen?
Nee, das wäre erstens kein gutes Omen für die Rückkehr in die alte Heimat und zweitens wirklich gefährlich.
Also nahm er, durchgefroren wie er war, gerne unser Angebot an, sich im Gewahrsam aufzuwärmen. Er hatte schon einige Nächte in Hauseingängen verbracht und die Aussicht auf einen warmen und dazu auch noch sicheren Schlafplatz gefiel ihm sofort. Was es für diesen jungen Mann bedeuten kann, uns sein volles Portmonee in die Hand zu drücken ("Hier, passt mal drauf auf!") und sich in der Zelle auf die Matte zu legen kann sich jemand aus unserer Sicht, die wir hier mit einem heißen Kaffee am Schreibtisch sitzen oder mit unserem Smartphone auf der Couch im Internet surfen, sicherlich gar nicht ausmalen.
Vermutlich wäre er auch draußen irgendwie klargekommen. Er hätte im Bahnhof oder bei Mc Donald's irgendwie die Nacht überstanden und den nächsten Tag vermutlich auch. Er hätte sogar Geld zusammenkratzen können für ein Hotelzimmer. Aber manchmal können wir auch einfach helfen. Und wer weiß, was wir ihm damit erspart haben... 

Wenn euch also, gerade in den Wintermonaten, Menschen begegnen, die draußen schlafen schaut bitte wenigstens ob sie ok sind, oder greift zu euren Smartphones und kriegt raus, ob es in der Nähe einen Kältebus oder sowas gibt, damit ihnen nichts passiert.
Und wenn ihr euch vielleicht alleine nicht traut, genauer hinzusehen, dann ruft halt die Polizei an und lasst sie es tun.

Ist sicher auch gut für's Karma :-)


Montag, 9. Dezember 2013

Unter die Haut

Mein Urlaub hat ein jähes Ende gefunden. Einen Tag früher als geplant springe ich ein, um einen kranken Kollegen zu vertreten. Nach zwei Wochen Erholung darf ich wieder arbeiten und euch mit neuen Favoriten des Tages versorgen.

Ich warne euch heute, und das ist durchaus ernst gemeint: Diese Geschichte kann euch näher gehen als es euch lieb ist. Wenn ihr euch nicht ekeln mögt und auf eine erfreuliche Geschichte hofft, dann überspringt diese hier bitte! Das ist wirklich nichts für Kinder und niemand ist ein Held, wenn er was ekelhaftes liest und dann im Gegenzug anschließend schlecht träumt. Für mittelmäßig Abgezockte gilt: Alles normalgedruckte lesen, hellgraue Passagen auslassen. 

Also: Schluss mit Urlaub und auf in den Nachtdienst. Sonntags ist meistens vergleichsweise wenig zu tun. Die Partywütigen haben am Wochenende ihr Pulver verschossen, die Streitsuchenden sind des Kampfes müde. Es könnte eine ruhige Nacht werden.

Zu Dienstbeginn haben wir sofort einen Auftrag. In einem Mehrfamilienhaus tropft bei der Melderin das Wasser durch die Decke und der Nachbar von oben macht ihr die Tür nicht auf. Klar, das ist auf den ersten Blick nichts für die Polizei, wir werden weder die Pfütze wegfeudeln noch den Rohrbruch flicken, aber wer weiß: vielleicht läuft ja in der Wohnung über ihr auch gerade das Aquarium aus ...oder Schlimmeres…
Denn wenn man eins lernt bei der Polizei, dann, in Szenarien zu denken. Meistens in solchen, die übel enden. Der Mann oben ist sicher vor drei Tagen mit dem laufenden Fön in die Wanne gestiegen. Alles andere wäre für uns schließlich viel zu einfach.

Im Haus angekommen halte ich so ziemlich alles für realistisch. Das Treppengeländer des Altbaus hat die besten Jahre hinter sich und hier und da sind schon Streben herausgebrochen. Die Holztreppe, die uns (wie sollte es anders sein) ins Dachgeschoss führt, ist ziemlich ausgelatscht und es gibt auf den halben Etagen Toiletten, weil noch nicht jede Wohnung eine eigene hat. Verrückt, wie manche Leute so wohnen. 
Im Dachgeschoss gibt es drei Türen, von denen ich eine schon kenne. Der Herr hier war schon häufiger mein Kunde, und dem Grasgeruch nach zu urteilen wird er es auch weiter bleiben. Die mittlere Tür ist mir bisher verschlossen geblieben und die linke ist die, hinter der das Wasser zu laufen scheint.
Gemeinsam mit einer Hand voll Feuerwehrmänner klingeln und klopfen wir, bis uns schließlich nichts anderes übrig bleibt als die Wohnung selbst zu öffnen. „Zwangsweise“ heißt das bei der Polizei und bedeutet nicht, dass wir wie einst Horst Schimanski mit erhobener Waffe durch die Tür springen. Zumindest nicht hier… Hier bohrt ein Feuerwehrmann fein säuberlich den Schließzylinder auf und setzt anschließend einen neuen ein. Das hätte es bei Schimmi nicht gegeben.

Die Feuerwehrmänner überlassen mir den Vortritt und ich gehe zügig mit dem Pfefferspray in der linken und der Taschenlampe in der rechten Hand in die Diele der Wohnung. "Hallo?! Die Polizei ist da! Herr _____ ?" 

Noch bevor meine Nase mich warnen kann (daran dürfte die Konzentration auf Augen und Ohren schuld sein) liegt mir der Wohnungsinhaber zu Füßen. Er ist tot.Im selben Moment fällt meiner Nase schlagartig wieder ein, was sie am besten kann und sie sagt Bescheid, wie tot der Mann ist. Heijeijei, erstmal raus hier, atmen!Die versammelten Kollegen von Feuerwehr und Rettungsdienst verziehen sich eine halbe Etage tiefer an ein offenes Fenster. Mein inneres Auge steckt mir quasi den erhobenem Mittelfinger in den Hals und fährt die Diaschau ab, die es sich oben gemerkt hat.


Klick, Bild 1: Eine männliche Leiche in Bauchlage, spärlich bekleidet, sämtliche Haut tiefschwarz verfärbt. Meine Güte. So was hatte ich auch noch nie. Klick, Bild 2: Haut? Wohl eher eine geleeartige schwarze Masse, um die die Natur eine Art schwarzes Butterbrotpapier gewickelt zu haben scheint; wobei sie nicht so ordentlich vorgegangen ist, an manchen Stellen wirft das Papier gewaltige Blasen.

Ich sammle mich kurz und atme am Fenster tief durch; erster Galgenhumor setzt ein. Wo sind eigentlich die Nachbarn, die waren bis eben doch so neugierig?! Der Geruch hat sie zurück in ihre Wohnungen getrieben. Besser so, bevor sie heute Nacht die selben Dias sehen wie ich gerade.
Wir fachsimpeln mit den Feuerwehrleuten, ob man nicht besser mit Atemschutz in die Wohnung gehen sollte, damit sich niemand übergeben muss. Die Entscheidung fällt dagegen aus.

Mein Kollege hat sich den Kragen seines Pullovers über Mund und Nase gezogen und ist vorsichtig über die Leiche gestiegen um erstens die Wohnung zu lüften und zweitens einen Ausweis zu suchen. Ob der überhaupt noch hilfreich ist? 

Wer von uns dreht denn Leichnam um und stellt Vergleiche an? Und ganz ehrlich: selbst wenn man wollte, wirklich erkennen kann man den Verstorbenen dann längst noch nicht… der Körper hat schon begonnen, in den Teppich zu fließen… 
Ich habe kurz meine Lungen gelüftet und wage mit einem Feuerwehrmann einen zweiten Anlauf. In der Diele überlegen wir, was wohl passiert, wenn man das, was von der Haut übrig ist, berührt. Der Gedanke verschafft mir einen solchen Würgereiz, dass ich fluchtartig wieder ins Treppenhaus verschwinde. Zum Glück muss ich es nicht ausprobieren. 

Mein absoluter Respekt gilt einmal mehr all den Menschen, die sich für Berufe entscheiden, in denen sie täglich mit Tod und Verwesung umgehen. Ich könnte das nicht!
Wir sehen ja schon viel in unserem Beruf. Wir räumen komplett zerfledderte Rehe von Bundesstraßen, kommen den ungepflegtesten Obdachlosen im Gewahrsam deutlich näher als uns lieb ist, sammeln Körperteile von Bahnstrecken, lassen uns von verlorengegangenen Omis die Rückbank vollpieseln und sind auch sonst sicher vor wenig fies, aber manche Gerüche sind schon eine besondere Herausforderung.
Aber am Ende gibt es doch meistens jemanden, der das Gröbste wegputzt oder an die Stellen fasst, wo die Sonne nicht hin scheint.
Danke euch, die ihr mir das abnehmt und dabei meistens sogar gut gelaunt seid, ihr Reinigungskräfte, Feuerwehrleute und (in diesem Fall) Bestatter!

Und unser persönlicher „Clou“ an der ganzen Sache ist zum guten Schluss, dass das Wasser in der Wohnung unserer Anruferin überhaupt nicht aus der Wohnung des Verstorbenen kam. Hätten wir uns vom Nachbarn früher erklären lassen, dass irgendwo in der Wand ein Rohr defekt war, hätten nicht wir sondern irgendwann andere Kollegen aus anderen Gründen die Wohnung geöffnet. 

Der Zufall wollte, dass wir die Leiche finden. Wer weiß, wofür es gut war…

Zurück auf der Wache duscht der Kollege und zieht sich frische Klamotten an. Ich selbst finde, dass es bis zum Schichtende so gehen muss und der Geruch im Laufe der Nacht noch verfliegen wird. Außerdem weiß man ja nie, wie es beim nächsten Einsatz riecht…

… in unserem Fall übrigens auch nicht viel besser, aber das erspare ich euch…

Samstag, 23. November 2013

Ungebetene (und andere) Gäste

Es wird Winter. Wer wie ich Schichtdienst macht und (auch wie ich) mit einem gesunden Schlaf gesegnet ist, muss sich langsam aber sicher wieder nach dem Nachtdienst einen Wecker stellen, um überhaupt vor März noch Tageslicht abzubekommen.
Und wer in der Schule besser aufgepasst hat, deshalb regelmäßig tagsüber arbeiten geht und nicht Zuhause auf Hab und Gut aufpassen kann, sollte sich Gedanken machen, wie er sich ungebetene Gäste vom Leib hält. Denn Winterzeit ist leider Einbruchszeit. 

Während also landesweit mit Kampagnen wie „Riegel vor!“ unter dem Stichwort „Mobile Täter im Visier“ nach Kräften versucht wird, den Dieben das Leben schwerer zu machen haben wir es im Nachtdienst mit einem ganz besonderen Einbrecher zu tun. Genauer gesagt: Einer Einbrecherin.

Montag, 4. November 2013

Eine kleine Geschichte von einem schlecht gelaunten Mann, der auszog, die Polizei zu ärgern... und dem es nicht gelang.

Sicher ist das heute eine vergleichsweise lange Geschichte über eine eher kleine Sache, aber werfen wir doch mal einen Blick auf eine ganz normale Verkehrskontrolle:

Das ist doch mal ein Herbst. Es hat sich in den letzten Tagen so richtig eingeregnet und der Wind pustet einem die Schauer volle Breitseite ins Gesicht. 
Wir haben Spätdienst. Zwischen den Einsätzen ist zwar Zeit, das eine oder andere Auto anzuhalten, aber wir beschließen, uns nicht in dem Mistwetter die nächste Erkältung einfangen zu wollen und suchen uns ein trockenes Plätzchen.
Die Entscheidung fällt auf ein Tankstellengelände. Man kann nur mit Karte zahlen, der Kundenverkehr hält sich schwer in Grenzen: Hier stören wir niemanden.
Der Kollege rüstet sich mit Regenjacke und Mütze gegen die Fluten während die Praktikantin und ich unter dem schützenden Dach bleiben. Er fischt einen Normalo nach dem anderen raus. Unsere Mühe, bei diesem Wetter auszusteigen mündet in vielen netten Gesprächen, die nicht zu dem miesen Wetter passen wollen. Wie das wohl kommt, dass alle so prima gelaunt sind? Sonst ist doch bei dem düsteren Wetter auch immer ein angemessen miesepetriger Bürger dazwischen...

Montag, 28. Oktober 2013

Dritter Generator Osterhase

Gestern war Zeitumstellung - eine ganze Stunde mehr Schlaf stand mir zu, und das vor dem Frühdienst. Abends hatte mich die Aussicht auf einen ausgeschlafeneren Tagesbeginn noch ein wenig begeistert. Um 4.55 Uhr, als der Wecker schrie, sah das schon anders aus. Aber man konnte sich ja immerhin einreden, man habe von der geschenkten Stunde profitiert. 
Nach dem Frühdienst und einer Hunderunde im Herbststurm zog es mich also nicht weniger heftig auf die Couch als die ganze Frühdienstwoche zuvor. Aber vor mir lagen drei freie Tage mit einer geliehenen Playstation auf der Couch und ein neuer Tatort aus München. Mir gehörte die Welt...

...bis um 18.15 Uhr das Handy klingelte und sich herausstellte: Ich musste zum Nachtdienst. Ohne Playstation, aber mit der Aussicht auf einen Favoriten des Tages. 

Und das war dann dieser hier:

 Wer in den letzten Stunden in NRW aus dem Fenster geschaut oder einen Hund vor die Tür gezerrt hat, weiß: Es ist eine dieser Nächte, in denen man sich zweimal überlegt, ob der tiefergelegte 3er BMW wirklich verdächtig ist und unter welchem Tankstellendach man den Fahrer halbwegs trockenen Fußes überprüfen kann.

Die Gehwege sind (wie) leergefegt, bis wir auf einen jungen Mann stoßen, der beim Überqueren einer Seitenstraße von den Rücklichtern eines haltenden Autos offenbar geblendet seine Augen mit den Händen bedeckte. "Guck mal, der ist komisch, oder?" - wir sind uns einig. Und je näher wir kommen desto verwirrter erscheint er uns, spricht mit sich selbst und gestikuliert wild, als sei er von seinen eigenen Argumenten nicht überzeugt.
Nicht, dass der Knilch irgendwo vermisst wird. Bei dem Wetter ist doch kein normal denkender Mensch ohne Grund unterwegs...

Im Augenblick sind wir regelmäßig zu dritt unterwegs. Unsere Praktikantin darf üben, wie Polizei funktioniert und hat nach einem längeren Theorieteil und einem Praktikum bei der KriPo seit heute wieder ihre Uniform an.
Wir steigen also alle drei aus. Die Auszubildende, die eigentlich Studentin ist und bald hoffentlich ihren "Bachelor of Arts" in der Tasche hat (ja, so ist das bei der modernen Polizei...) versuchte ihr Glück. "Guten Abend. Mein Name ist ____ von der Polizei ____. Personenkontrolle. Alles ok bei Ihnen? Können wir helfen? Was machen Sie denn hier?" 
Der Mann trägt eine weiße 70er-Jahre Adidas-Shorts über seiner Jeans und auf dem Kopf eine Frisur, die aussieht wie eine sturmgeschädigte Micky-Krause-Perücke. Er erklärt uns, dass er spazieren geht. Hm. Im Unwetter... Darf er ja, aber wir haben immer noch Bedenken, dass man ihn irgendwo vermissen könnte und er vielleicht dorthin auch nicht mehr zurück findet.

"Wann sind Sie denn geboren, Herr ______?"
"17. Siebter Siebzig, dritter Generator Osterhase."
"Bitte?!" - jetzt nicht provozieren, das hat die junge Kollegin schon prima drauf. Während ich mich kurz schmunzelnd beiseite drehe und froh bin, dass sie auch solche Verwirrten nicht mehr aus der Reserve locken, erklärt sie Micky Krause, dass sie kurz seine Daten abfragt. 

"Guuutttt!" sagt der und stratzt weiter. "Nein, warten Sie!" halte ich ihn auf. Er ist genervt. "Die Kollegin hat doch gesagt, sie hakt das ab!" - "Nee, sie fragt das ab!" - "Ach so." Micky wartet, die Azubine und ich verkriechen uns mädchenmäßig kichernd ins Auto. "Dritter Generator Osterhase!" - wir fragen uns, was er wohl gemeint haben könnte, und was der Kollege wohl draußen noch so mit ihm smalltalkt. 
Einen großen Erkenntnisgewinn konnte er aus dem Gespräch wohl nicht ziehen. Jedenfalls sagte auch er die nächsten Stunden immer mal wieder die magischen Worte "Dritter Generator Osterhase" vor sich hin...

Nach der Abfrage stellt sich heraus, dass unser Micky Krause weiter im Regensturm spazieren gehen darf, weil er wohl verwirrt aber nicht hilflos ist.
Das gefällt mir und ich stelle immer wieder fest, dass ich mich freue, die ganz normal Verrückten zu treffen. Die machen die Welt irgendwie bunter. Ich halte es da mit den kölschen Grundsätzen - „Jede Jeck ist anders.“ und „Jet jeck simmer all.“ 

...und den Rest der Nacht wissen wir, was wir antworten, wenn uns ein Kollege was fragt.

In diesem Sinne: 
Dritter Generator Osterhase 

Sonntag, 13. Oktober 2013

Kommissar Zufall steht im Wald

Der Herbst ist da, und was liegt näher, als bei Tee, Keksen und Wärmflasche gemütlich auf der Couch ein paar Zeilen hier einzuhacken?!

Da mir in den letzten Tagen nichts passiert ist, was sich vom alltäglichen Wahnsinn ausreichend abgehoben hätte um hier erzählt zu werden, behelfe ich mir mit einer älteren Begebenheit. 

...und die geht so:

Ein Nachtdienst im Frühjahr. Das Wetter ist endlich mal wieder lau und so verlegen unsere Kunden langsam ihr Leben nach draußen. Für uns heißt das, dass die Einsatzbelastung zunimmt und wir in dieser Nacht zwischen Streitigkeiten, Ruhestörungen und was auch immer hin und her tingeln. 
Der Kollege, mit dem ich unterwegs bin, möchte schon seit mindestens einer Stunde die Wache anfahren; er muss mal für kleine Gesetzeshüter, aber irgendwie kommen wir nicht so recht dazu. Jetzt, da sein Problem langsam zu drängen beginnt, kommt ein Nachbarschaftszwist dazwischen.  Auf dem Weg dorthin fährt der Kollege plötzlich von der Bundesstraße auf einen abgelegenen Schotterparkplatz.

"Die Nachbarn müssen einen kleinen Moment warten. Ich muss mal." raunzt er, springt aus dem Streifenwagen und hat sich in den nahen Wald verdrückt. Zum Glück besteht hier nicht die Gefahr, dass uns - bzw. ihn - hier irgendwer beobachten könnte. Was sollen denn bitte die Leute denken?! Aber was raus muss, muss raus. Und so mitten im Wald... na, wollen wir mal nicht so streng sein...

David (so nennen wir ihn einfach mal, eigentlich heisst er anders, aber bevor er jetzt noch Ärger bekommt, wegen wilden Urinierens...) ist nicht mehr zu sehen. Zu hören glücklicherweise auch nicht... ;-)

Ich lasse meine Gedanken schweifen. Am anderen Ende des Waldparkplatzes rascheln Tiere im Gebüsch. Sicher Rehe - hoffentlich keine Wildschweine. Die sind mir ja nicht so lieb... Langsam könnte David wiederkommen... Warte... Da sind doch Leute. Ich kneife die Augen zusammen und konzentriere mich. 
In gut 200 Metern Entfernung huscht eine Gestalt aus Richtung Straße zu einem Auto, oder ist es ein Lieferwagen? Dann kommt der nächste. Schatten Nummer eins ist schon wieder zur Straße verschwunden. Was machen die da? Und wo bleibt David? 
"Daaaaaaaaavvvvvviiiiiiiiid, Daaaaaaaaaaaaaaaaaaaaavvvvviiiiiiiiiiiiiiiiiid!" ich rufe flüsternd durch sein offenes Fahrerfenster. Er hört mich nicht. Ich versuche es ein wenig lauter, die Schatten rennen noch immer hin und her. Gehört haben sie uns wohl nicht.

Auf der anderen Straßenseite ist ein Schrottplatz. Beobachte ich gerade Schrottdiebe auf frischer Tat, während der Kollege gemütlich und nichts ahnend im Wald austreten ist?! Kannjawohlnichtwahrsein!

Da kommt David endlich zurück. Ich zische ihn an: "Niiiicht die Tür schlagen. Nichts sagen. Da: Guck mal!" Jetzt sitzen wir zu zweit im dunklen Auto und starren in die Nacht. 
Die Personen sind kurz verschwunden. Wir melden der Leitstelle wo wir sind (zum Glück fragt niemand, was wir da wollten) und dass wir verdächtige Beobachtungen machen. Aus dem Nachbarort kommt ein zweiter Wagen als Unterstützung.

Als sie wieder auftauchen, schlagen sie die Heckklappe zu und steigen in den Wagen. Licht geht an. Wir schalten auf Festbeleuchtung und können kurz darauf vier Kleinkriminelle festnehmen und einen Kleintransporter voller Schrott sicherstellen.
In der Anzeige habe ich die Entstehung der Situation etwas anders formuliert. Sinngemäß dürfte da stehen: "Am... um... befuhren wir im Rahmen der Streifentätigkeit den Parkplatz an der XY-Straße..."

Wenn ihr also mal in den einsamsten Wäldern Streifenwagen entdeckt, nicht wundern: Das sind die Kollegen, die diese Geschichte kennen und auf Unterstützung von Kommissar Zufall hoffen. 



Freitag, 4. Oktober 2013

GudnMorgn

Puh. Fünf Fruhdienste am Stück - heute morgen war ich zu nix mehr imstande. Beispiel?!
Kommt ein Mann zur Wache und sagt (schneller sprechend, als ich um sieben Uhr denken kann): "Mein HundstgesernAm'dübefahn worden. Kanni'dajtzt'nfos ha'm?" Ich verstehe nur Bruchstücke, habe mir aber einen Sinn zusammengereimt und krame im Computer nach dem passenden Einsatz von gestern. 
"Was möchten Sie denn wissen?"

"Nein! 'chmöchtePers'nalien abge'm." - "Von wem? Ich glaube, ich habe Sie noch nicht so ganz verstanden."
Na: Mein HundstgesternAm'dübefahn worden. Abends. Neun Uhr."

Abends um neun. Das sollte sich finden lassen. Unfälle, tote Tiere, ich klicke und kratze mir den Schädel. Kein Einsatz mit Hund. 

"Jetzt is'seinHandyweg. Die ander'n zwei war auschon beiIhn!"

Häh? Innerlich spule ich zurück. 'Hund überfahren?!' - Nein. Sohn überfallen. Sein SOHN wurde überfallen. 

Naja, ich hab's ja irgendwann dann auch kapiert.

Ab übermorgen dann BITTE wieder Nachtdienst. Danke!

Freitag, 27. September 2013

Nur noch kurz die Welt retten

Es ist schon einige Tage her, seit ich den Fall erlebt habe, den ich heute hier festhalten möchte. Es wird einer dieser "Was-es-nicht-alles-für-Leute-gibt"-Postings, bei denen ich mir bis vor ein paar Jahren noch mit heruntergeklappter Kinnlade die Hand vor die Stirn geklatscht und laut: "Das kann ja wohl nicht wahr sein!" gesagt hätte.
Inzwischen ist mir klar: Es ist wahr. Es gibt reichlich Menschen mit psychischen Problemen da draußen. Einige habt ihr ja schon kennengelernt.

Heute kommt ein ganz Spezieller hinzu. Es ist ein junger Familienvater aus völlig geordneten Verhältnissen. Eigene Bude, Frau und Kind, Job, Auto - ein totaler Normalo, der euch an der Supermarktkasse, im Schwimmbad und auch sonst nie aufgefallen wäre. Ich kenne ihn nur von Fotos - der Grund dafür wird sich gleich klären, aber auf den Bildern fand ich ihn echt sympathisch.

Ihr habt also alle ein Bild im Kopf, wir können zur Sache kommen:
An dem Tag, als seine Frau auf der Wache anrief und zufällig mich an der Strippe hatte, war ich eigentlich schon gut bedient mit den ganz normalen Verrückten. Ich hatte mich schon mit einem unversicherten Hängebauchschwein und anderen Alltäglichkeiten befasst, aaaaber es war an Ausgefallenheit noch deutlich Luft nach oben:

"Guten Tag. Ich muss meinen Mann als vermisst melden. Der ist in Polen." Die hörbar aufgelöste Frau am anderen Ende weint und ich habe den Eindruck: Auch wenn ich ihr bei Sachverhalten in Polen sicher nicht so einfach helfen kann, muss irgendwas passieren. "Ja?!" Ich lasse sie erstmal reden.
"Der sagt, meine Tochter und ich, wir sind der Teufel!". Naja, denke ich, das vermuten viele Männer... aber zu Späßen ist meine Anruferin vermutlich nicht aufgelegt. Mal hören, was sie noch zu sagen hat. "Der ist mit dem Auto weggefahren, weil er glaubt... ja weil... er... Er glaubt, in drei Tagen geht die Welt unter, und das will er verhindern!"
Oha. Apokalypse. Direkt so'n ganz dickes Ding. Andere hören den Strom fließen oder sehen, wie sich die Tapete bewegt, aber 'n Weltuntergang passt mir gerade eigentlich gar nicht ins Konzept. Wieder spare ich mir ach so lustige Kommentare à la: Na, da wollen wir ihn doch besser nicht aufhalten... sondern halte die Klappe und lasse sie weitererzählen. "Jetzt fährt er mit dem Auto nach Australien. Über Land. Hat er gesagt. Ich hab Angst, dass was passiert. Niemand kann ihn erreichen." 
Haaaah, da hat er sich ja einen guten Zeitpunkt ausgesucht: Sprit ist günstig; Langsam muss ich mir auf die Lippen beißen, um nicht doch einen blöden Scherz unterzubringen. Meine Anruferin heult jetzt Rotz und Wasser: "Der hat sein Handy aus. Ich kann den nicht erreichen. Was machen wir? Der muss zum Arzt gehen. Aber das will er nicht..."

Ich notiere alles, was man so braucht, um einen einsamen Weltretter samt Auto und (wie sich herausstellen wird) Cowboyhut wieder zu finden und vermittle die Dame an die Kriminalpolizei. Inzwischen wissen auch die Kollegen in Polen, dass da einer herumkurvt, auf dem Weg nach Australien, der besser mal einem Psychiater vorgestellt werden sollte. Nicht, dass ihm wirklich noch was zustößt. Weltrettung ist ja nun auch bestimmt nicht ganz ungefährlich.

Wenn also in ein paar Tagen die Welt nicht untergegangen ist, dann hat unser Weltretter entweder alles richtig gemacht, oder wir hatten einfach Glück, und er hat sich irgendwie geirrt - ist ja menschlich.

Und völlig egal, ob es nun geklappt hat, mit der Verhinderung der Apokalypse, oder nicht. Hoffentlich kommt er bald wieder wohlbehalten Zuhause an. Da machen sich Menschen Sorgen.

Drücken wir ihm also die Daumen!

Donnerstag, 5. September 2013

12.84€

Ich bin mal wieder sprachlos...
Bei dem Wetter ist man grundsätzlich auf noch mehr skurrile Begegnungen eingestellt als sowieso schon, aber der Kunde eben war mal wieder ein ganz besonders Exemplar:

Ein junger, sehr hagerer Mann betritt in Begleitung einer Frau (ich nehme an, seine Mutter) die Wache. 
Seine Pupillen würden jedem Uhu zur Ehre gereichen - und aus dem entsprechenden Milieu kenne ich ihn auch. Also: beruflich! 
Heute hat er andere Probleme, zumindest vordergründig: 
"Guten Tag. Also: Ich bin gerade beim Jobcenter gewesen. Tagessatz abholen, 12.84€ kriegt man da immer. Heute nich!"

"Jaaaaaa......?!?!" Ich rudere ein wenig mit den Armen, um ihm eine etwas konkretere Frage zu entlocken und verstehe bisher nur Bahnhof. Möchte der Knilch sich jetzt beschweren weil er sein Geld nicht bekommen hat? Woher soll die Polizei denn wissen, was ihm zusteht?

"Ja! Heute nich'! Der wollte mir 'n Gutschein geben. Für Lebensmittel."
"Ja. Habe ich verstanden. Und...?"
"Sonst gab's immer 12.84€!"
"Hören Sie - Wie soll ich denn da jetzt ihr Problem lösen? Meinen Sie ein Amt sagt "Neee, es gibt nix mehr." und dann kann die Polizei entscheiden, dass es doch was gibt?"

Schon wieder 'n Kandidat für den Naivitätspokal des Monats. Der ist aber leider seit gestern vergeben...

"Ja. Sonst gab's ja auch immer 12.84€ am Tag!"
Mir ist, als hätte ich das schonmal gehört.
"Und warum gab's die heute nicht?" frage ich ganz frech, als ob ich es nicht schon ahnte. 
"Weiß nich' - bloß: Was soll ich mit som Gutschein? Sonst habbich auch immer Geld gekriegt!"
"Ja. Heute aber nicht. Das wird ja einen Grund haben. Fragen Sie doch morgen mal den Sachbearbeiter."

"Meinen Sie ich kann den das fragen?"
"Klar - Der wird es im Gegensatz zu mir sogar wissen..."
"Ach so."
"Warum haben Sie eigentlich bei der Polizei gefragt?"
"Hm. Weil - weiß nich'"
Mehr als: "Ach so." fällt mir da auch nicht ein...

So ziehen sie ab, der hilflose junge Mann und seine Mutti. 
Und als ich hier sitze und warte, wer als nächstes klingelt, fällt mir unsere letzte Begegnung mit dem Experten ein: 

Da wollte er eine Anzeige erstatten, weil die Mütze, die er Stunden zuvor auf der Kirmes für fünf Euro gekauft hatte, doch gar nicht die hippe Trendmarke war sondern (oh Wunder) nur so ähnliche Applikationen hatte - ihr habt 'Bild vor Augen?! Adidas mit fünf Streifen - so in der Art...
Irgendwie gewinne ich den Eindruck, seine Probleme nicht lösen zu können. Ob das jetzt an mir liegt oder an den speziellen Problemen, sei eurer Einschätzung überlassen...

Dienstag, 3. September 2013

Grundlagen der Tatortfotografie (Teil 1)

Huch, da habe ich mich aber lange nicht gemeldet. Vielleicht weil einfach nichts berichtenswertes vorgefallen ist, vielleicht war ich aber auch einfach nicht aufmerksam genug. Gelangweilt haben wir uns jedenfalls nicht...

Als Lückenfüller erzähle ich heute mal ein Anekdötchen aus der Reihe: CSI geschaut und nichts dabei gelernt.

Wir nehmen im Frühdienst einen Einbruch auf. Unbekannte Täter haben eine Pizzeria (aus dem Qualitätssegment: hier wäre selbst Analogkäse ein Kompliment für den Koch) geknackt und den Spielautomaten aufgebrochen. Das Geld fehlt. 
Der Koch - bzw derjenige, der in letzter Zeit besser mal die Küche geputzt hätte - empfängt uns vor der Tür. Wir kennen einander aus diversen Verkehrskontrollen und auf dem Weg zum Lokal habe ich einen flüchtigen Blick auf seinen Pizzaflitzer geworfen. Wenn er endlich mal neue Reifen kauft, kommt er vielleicht sogar durch den TÜV.
Naja, heute sind wir ja hier, um zu helfen und nicht, um zu schimpfen.

Im Lokal flätzen sich Brüder und Schwiegereltern des Melders auf den ollen Schemeln. In der Ecke steht der offene Automat. 
Ich frage wie immer zuerst, ob schon jemand etwas am Tatort verändert hat. "Ja, meine Frau hat geputzt. Und Fenster gemacht. Boden auch. Und an der Theke, wo das Geld fehlt, gewischt. Ja und am Automaten, da war ja auch jemand dran, das mussten wir ja auch saubermachen..."
Na clever, denke ich. In der Bude sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa, aber wenn sie einmal nicht putzen sollen, dann beseitigen sie natürlich gekonnt alle Spuren.

Na, was soll's. Innerlich schrottgenervt nehme ich also das, was an Spuren übrig geblieben ist, hin und fange an, ein paar Fotos zu machen. 
Als ich zum Automaten komme ist der Geschädigte ziemlich zuversichtlich: "Ah, und dann machen Sie jetzt Bilder für die Fingerabdrücke?" 
Ich verstehe nicht recht, er hakt nach: "Das fotografieren Sie jetzt, und auf den Bildern kann man dann nachher die Fingerabdrücke sichern!"
Ich verstehe noch weniger. Er denkt also, mit der Wundermaschine aus dem Hause Nikon mache ich ein stinknormales Foto, gehe nachher mit Rußpulver über den Ausdruck und sehe auf dem Bild die Fingerabdrücke?! Na Hut ab. Soviel Naivität hätte einen Preis verdient. 

So ganz kann ich mir einen schnippischen Seitenhieb doch nicht verkneifen:
"Nein, auf den Bildern sieht man dann den Spielautomaten!" - "Ach sooooo..." (Das hätte er wohl nicht gedacht... auf dem Bild sieht man exakt das, was ich fotografiert habe. Der Wahnsinn!)

Vielleicht sollte er weniger CSI gucken und sich erstmal die Grundlagen der Fotografie erklären lassen... und zwischendurch mal die Küche putzen, auch wenn da keine Einbruchspuren sind...









Sonntag, 21. Juli 2013

Ey Mann - Wo ist mein iPhone?

Mein Favorit heute ist eigentlich ein Fall für mein Tagebuch. Aber vielleicht lernt ihr aus meinem Fehler, deshalb "viel Spaß" mit dieser kleinen privaten Anekdote:

Ich hatte die letzten Tage frei und habe die Zeit genutzt, endlich mal wieder nach Berlin zu reisen. Auf dem Rückweg zum Hauptbahnhof war dann heute dringend eine Abkühlung fällig. Also landeten meine gute Freundin und Berlin-Begleiterin Lisa und ich im Starbuck's an der Friedrichstraße. Sonnenschein, 30°C, ein Traum von einem Chocolate-Chip-Eisgetränk-mit-englischer-Bezeichnung-Dingsbums und noch zwei Stunden Zeit in Berlin. Herrrrrrlich.

Während wir tratschen, was noch zu tun wäre bevor der ICE uns nach Hause brächte, tauchen zwei kleine Gören an unserem Tisch auf. Beide gebärden wild als seien sie gehörlos und wollen uns irgendwelche Spendenlisten unter die Nase halten. "Och bitte nicht diiiieeee Nummer" erwacht mein Polizistenhirn aus dem Urlaubsmodus. Erstens habe ich generell keine Lust, im Café von irgendwelchen nervigen Bettlern angequatscht zu werden - wenn ich spenden will, kaufe ich eine Obdachlosenzeitung oder werfe Musikanten Kleingeld in den Hut, aber am Tisch mag ich diese offensive Bettelei nicht - und zweitens glaube ich ihnen die "Ich bin gehörlos und brauche deshalb eine dubiose Unterschrift"-Nummer nicht.
"Geht weiter, Mädels!" raunze ich mehrmals relativ unfreundlich, aber die Ganoven bleiben hartnäckig. Mir wird das zu bunt. Beide fummeln mit ihren Spendenlisten ziemlich aufdringlich an unserem Tisch rum und obwohl ich aufstehe und sie mit beiden Händen bei Seite dränge nerven sie weiter. Also stelle ich einen Stuhl zwischen die Beiden und unseren Tisch. Das sollte uns Abstand verschaffen. Von wegen... Also doch nochmal aufstehe. Ich stelle mich direkt vor die kleinen Räubertöchter. Ihr Kopf reicht soeben bis zu meiner Schulter und wir berühren uns, aber sie lassen sich einfach nicht zurückdrängen.
"Meeeiiine Güte, sind die aufdringlich!" schimpft Lisa, als endlich ein Cafémitarbeiter die beiden wild mit den Armen fuchtelnd vertreiben kann. Ich setze mich wieder und schlürfe an meinem Schoko-Dingsbums. Endlich wieder Ruhe. Die "Do you speak english?" murmelnden Bettler, die einem am Hauptbahnhof alle Nase lang begegnen, kannte ich schon, aber diese Zettelnummer war mir doch jetzt 'ne Nummer zu frech. Und die Mädels waren höchstens 12...

Der Starbucks-Mann schlurft zurück an seine Theke und nuschelt sich ein: "Die klauen aber auch hier wie die Raben..." in seinen Berliner Hipster-Dreitagebart.
Ja, auf 'ne Unterschrift hatten unsere beiden Nervzwerge es bestimmt nicht abgesehen. Aber mich bestehlen? Ha. Ich bin schließlich Polizistin, mit allen Trickdiebstahlwassern gewaschen und lasse mich so leicht nicht drankri... äh, HALT: "Lisa?! Wo ist mein iPhone??? Kannjawohlnichtwahrsein..."

Ich klopfe meine Hosentaschen ab, merke, dass das Telefon auf dem Tisch hätte liegen müssen und weiß jetzt auch, warum die Knirpse so beharrlich nicht zu vertreiben waren... Das war lohnende Beute! Im gleichen Moment springe ich auf und stürze die 50 Meter hinter den Beiden her. Die Diebin scheint meinem komplett entglittenen Gesichtsausdruck zu entnehmen, dass sie gerade aufs kräftigste am Ohrfeigenbaum geschüttelt hat und hält, als sie meine Schritte hinter sich hört, mein Telefon in meine Richtung. Ihre Taktik geht auf: meine Hand schnappt nach dem iPhone und nicht nach ihrem Gesicht. Gut so, denn erstens hätte es überhaupt nichts geholfen, ihr eine zu tafeln, und zweitens hätte es mir auch so überhaupt nicht entsprochen... So bleibt es bei dem wütenden Gedanken an eine schallende Watsche. Besser für alle...

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Nach einem Anruf bei der Berliner Leitstelle lernen wir mehr als eine Hand voll äußerst netter Kollegen von Bundes- und Landespolizei kennen, die uns allesamt zu meinem Fang gratulieren. In den letzten Tagen haben die beiden Klaukids nämlich am Starbuck's heftig ihr Unwesen getrieben und so manches Handy ist in ihren Besitz übergegangen. 
Leider hatten sie, als ich sie am Schlafittchen hatte, gerade keine anderen Handys in der Tasche. Ich hätte gerne noch anderen Geschädigten eine Freude bereitet.
So ist immerhin mein Handy noch da, die zwei Krakusen sind (mal wieder) erwischt worden und zum Hauptbahnhof sind wir auch noch pünktlich gekommen.

Und es ist bewiesen, dass man noch so vorsichtig sein kann: Sowas kann wohl  jedem passieren - denn man kann seine Sinne einfach nicht überall haben... auch nicht, wenn man mit dem superskeptischen Polizistenblick durch die Welt rennt und hinter jedem Bettler einen Trickdieb vermutet...

Samstag, 13. Juli 2013

Der Weltbürger

Mein heutiger Favorit hätte sicher viel zu erzählen, er ist nämlich ein in Neuseeland geborener, in Deutschland auf dem Dorf lebender (inzwischen) Niederländer, der mit einer in England geborenen (inzwischen) Deutschen verheiratet ist und für eine Firma in Belgien arbeitet. 

Schon klar, dass der Tatort seines Fahrzeugaufbruchs am Flughafen Düsseldorf war. Er kommt ja offenbar viel rum...

Ich hab ja auch mal woanders gelebt: 30 Minuten von hier - und kam mir ganz schön bäuerlich zurückgeblieben vor.    ;-)


Freitag, 12. Juli 2013

Leonard hat eine Bitte

Mein heutiger Favorit ist eindeutig der kleine Leonard. Der geht nämlich in die Klasse 5e und ist elf Jahre alt. 
Und wenn ihn etwas stört, dann meckert er nicht nur dass keiner was tut sondern er nimmt das Problem selbst in die Hand, damit sich was ändert. Deshalb stand er heute Mittag bei mir auf der Wache und drückte mir einen Brief in die Hand. Korrekt adressiert, mit Absender und allem Schnickschnack.

Wie man das halt so macht, wenn man elf ist und einen was stört. 

Das gefällt mir, und euch vielleicht auch...

(Ich musste in Leonards Brief ein bisschen digital rumpfuschen)

Wenn Zeit ist, weiß ich jetzt, wo ich demnächst mal 'ne Lasermessstelle einrichte. Hoffentlich hilft's...

Montag, 8. Juli 2013

...kleiner Nachtrag...

...zum letzten Posting:

Vorgestern stand ich schon wieder genau an der Stelle, an der ich am 01.07. erfolglos versucht habe, den verunfallten Motorradfahrer zu reanimieren. Genau dort (und keinen Meter weiter) haben wir in den darauffolgenden Tagen Geschwindigkeitsmessungen gemacht. Die Markierungen der Unfallaufnahme waren auf der Fahrbahn noch gut zu erkennen.

Erlaubt waren an der Messstelle, ein paar hundert Meter vom Unfallort entfernt, 70km/h.
Angehalten haben wir die Leute dann an der Unfallstelle. Nicht, um das Ganze zu dramatisieren oder so was, sondern einfach, weil dort am Straßenrand genügend Platz ist.

Solange wir dort solche Werte messen, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis der nächste Kollege mit Sprühkreide über die Straße läuft, Spuren sucht und schlechte Nachrichten überbringt...




Ich muss dazusagen, dass der letzte tödliche Unfall nicht durch Raserei verursacht worden ist, aber der nächste vielleicht...

Montag, 1. Juli 2013

Echte Hingucker!

An dem, was ich euch heute erzähle, etwas Positives zu finden ist eigentlich unmöglich. Eigentlich.

Ich habe mal die Statistik bemüht: Jeden Tag sterben in Deutschland ungefähr elf Menschen an den Folgen eines Verkehrsunfalles. Auch heute, und heute ist es wieder bei uns passiert.

Ein Autofahrer hat beim Abbiegen ein Motorrad übersehen, das ihm entgegenkam. Durch den Aufprall wurde der Motorradfahrer so schwer verletzt, dass er noch an der Unfallstelle sein Leben verlor. Keine wilde Raserei, kein aberwitziges Überholen, kein Verkehrsrowdie hat den Unfall verursacht, sondern eine Sekunde der Unachtsamkeit. Ein winziger Moment mit schrecklichen Folgen.

Und als der junge Mann auf der Straße lag, leblos, neben seinem zerbeulten Motorrad, da fuhren Autos vorbei. Menschen die vermutlich nicht hätten helfen können, denn es war schon zu spät, aber die es eben auch nicht versucht haben. Die (feigen) Wegseher.

Aber dann sind da auch noch die Menschen, die anhalten und zupacken. Die nicht bloß gaffen und ihre Smartphones zücken, um ihren Freunden später zu zeigen, was sie heute krasses gesehen haben und wie cool sie sind, alles zu fotografieren. Nein, da gibt's Mensch, die helfen. Die (mutigen) Hingucker.

Jeder von uns könnte mal deren Hilfe brauchen, bzw. anders: Deine Hilfe! Vielleicht schon morgen...

Also: Guck hin und pack an! 


Dienstag, 18. Juni 2013

Woher weiß die Frau das?

Mein heutiger Favorit ist hübsch kurz und schon eine ganze Weile her. Bevor ich ihn vergesse also schnell eintippen:

Wir haben (mal wieder) ein Auto angehalten. Ich gehe zur Fahrertür, aus der mich ein freundlicher Opi erwartungsvoll anguckt. Wie in jede Kontrolle sage ich mein Sprüchlein auf.
"Guten Tag, Verkehrskontrolle, ich halte Sie an, weil Sie Ihren Fahrzeugschein nicht dabei haben!"
Opis Blick erstarrt, als hätte ich das sprichwörtliche Schnitzel im Gesicht. Jetzt wird mir klar, was ich da eben gesagt habe... der Spruch ging eigentlich ein bisschen anders.

Fragt mich bitte nicht, wie ich auf diesen bescheuerten Satz kam. Vielleicht bin ich eine Seherin. Fakt ist: Es stimmte auch noch. Ha!

Montag, 10. Juni 2013

Schlafende Nasen

Heute greife ich wieder auf einen etwas älteren aber doch auch zeitlosen Favoriten zurück. Den Rauchmelder. Für drei Euro das Stück liegen die Dinger unscheinbar an vielen Kassen neben der Quengelware und warten auf euch, um euch nach drei Minuten Montage vielleicht bald das Leben zu retten.
So zum Beispiel:

Es ist Frühdienst. Ein sehr sonniger und freundlicher Samstag. So einer, an dem wir auch mit Knöllchen niemandem die gute Laune verderben können.
Gegen 10 Uhr - genauer weiß ich es leider nicht mehr - werden wir in ein Wohngebiet gerufen, wo im 2. Stock eines sechs-Parteien-Hauses ein Rauchmelder nervt. Ich merke die Grundanspannung, die ich bitte auch nicht verlieren möchte, wenn solche Routineeinsätze anfallen. Irgendwann ist zwischen den Fehlalarmen mal ein Ernstfall, der möge mich bitte nicht überraschen. Ich bespreche auf der Anfahrt kurz mit der Auszubildenden und dem Kollegen, worauf es gleich ankommen wird: Überblick verschaffen, Ruhe bewahren, Nachbarwohnungen räumen. Kann losgehen.

Vor Ort erwartet uns die Mitteilerin mit ihrem Kleinkind auf dem Arm im dritten Stock. Unter ihr piept es vernehmlich seit etwa einer halben Stunde. Langsam nervt's. Na: Danke dass sie noch anruft bevor der Melder geschmolzen ist, denke ich und sage besser nix. Der Kollege hat inzwischen begonnen an der Tür im zweiten Stock Sturm zu klingeln. Niemand öffnet. Die sind nicht da, mutmaßt die Anruferin. Sonst hätten sie ja geöffnet... Wenn sie noch leben, murmle ich. Aber sie wird Recht haben. Da sind sicher bloß die Batterien leer. Deshalb das Gepiepse...
Plötzlich wird der Kollege hektisch. Als er kräftiger gegen die Tür klopft dringt dichter, schwarzer Rauch in den Hausflur. Ach du Scheiße. Nichts wie raus hier. Die Auszubildende schicke ich runter in den ersten Stock: Verantwortung übernehmen und rufen, klingeln und klopfen bis jemand öffnet. Ich selbst stürze hoch in den Dritten um das gleiche Spiel zu starten. Die Tür der verqualmten Wohnung zu öffnen erscheint uns bei dem Ruß zu riskant. Wir können nicht einschätzen ob der Rauch dann durchzündet. Das möchte ich auch nicht ausprobieren...
Zum Glück trifft jetzt auch die Feuerwehr ein. Meine Anspannung legt sich etwas.
Als der erste Feuerwehrmann gegen die Tür bollert und auf die Kollegen wartet, wird ihm plötzlich von innen geöffnet. Der Sohn der Familie, sein Gesicht pechschwarz, steht völlig verpennt in der Diele. Er hatte nachts, Stunden zuvor, den Sandwichtoaster auf eine heiße Herdplatte gestellt. Dann hatte er sich schlafen gelegt. Vom Toaster war nur noch das Metall des Netzsteckers übrig. Während seine schlafende Nase also nichts roch entwickelte sich ein Schwelbrand, der sämtliche (!!!) Räume schon von der Decke bis zum Türsturz verraucht und tierisch verrrußt hatte. Die Rauchmelder waren leider nicht an der Zimmerdecke sondern in den Türen montiert und piepsten erst, als bis dorthin schon alles rabenschwarz war. Der Sohn schlief (noch) unterhalb des stark verrauchten Bereichs auf der Couch. Eine halbe Stunde vielleicht noch, und er hätte seinen letzten Atemzug getan. Dreißig Minuten und seine ahnungslos schlafende Nase wäre nie wieder wach geworden, hätte nicht ein drei Euro teures Stück Plastik die Nachbarin so lange genervt, bis sie die Polizei rief.
So ist es leider. Schlafende Nasen riechen nichts. Man erstickt, ohne dass es je eine offene Flamme gegeben hätte. Auch diesen Fall habe ich schon erlebt, möchte ihn aber hier nicht ausbreiten.

Also: DREI Euro, die eure schlafende Nase wecken, bevor es zu spät ist. Für immer...

Kauft Rauchmelder!

Dienstag, 4. Juni 2013

Eins Komma Zwei Liter

Mein Favorit heute lässt sich am ehesten bildlich darstellen, denn das Gespräch mit unserem Ralleypiloten war inhaltlich äußerst überschaubar.

"Das ging so rrrrrrroooooaaaarrrr - wuuuuusch - bäääämms!"

Der Kollege stellte also fest: "Ihnen ist wohl das Heck ausgebrochen!" - "Hä? Wie? Ausgebrochen? Das Heck ist doch noch da! [...] Ich hab so beschleunigt da vorne. Ich hab ja 1,2 Liter! [...] Ich bin Profi. Ich hab so eingelenkt. Halt gekurbelt. Dann kam die Wand auf mich zu. Kann man nix machen!"

Sieht übrigens schlecht aus für die Rennlizenz. Der Bolide muss in der Box bleiben und die Saison ist vorzeitig zu Ende.
Ab jetzt ist er zumindest mit deutlich mehr PS unterwegs... Wie viel Hubraum hat eigentlich so ein Linienbus?





Dienstag, 21. Mai 2013

Czy mówi Pan po niemiecku?

Heute ist mein Favorit sehr lautmalerisch.

Eben war ein Pole auf der Wache und reichte einen Anhörungsbogen rein, den er von einer Kollegin zugeschickt bekommen hatte. Darin kann er sich zu einem Strafverfahren schriftlich äußern, wenn er möchte, und spart sich den Weg zur Vernehmung.
Ich nehme oft solche Formulare entgegen, selten allerdings werden sie so kurz und präzise ausgefüllt.

Jetzt wissen wir auch, wie sich die deutsche Sprache mit polnischen Ohren anhören muss.

Dienstag, 14. Mai 2013

Das Alphabierbuchstabet

Wenn es ums verständliche Buchstabieren von Namen geht habe ich schon einige zum Teil unterhaltsame Ideen von "A wie Altbier" bis "C wie Zeppelin" gehört.
Und auch die Kollegen haben manchmal Kracher auf Lager, zum Beispiel den Nachnamen Loos, den eine Kollegin mal "Ludwig, Doppel-Otter, Siegfried" buchstabierte.

Aber mein Besucher eben auf der Wache hat sich mit dieser Stilblüte als Favorit des Tages qualifiziert, als er mir die Schreibweise seines Geburtsortes verständlich machen wollte:


"P wie Paula, Ü wie Üda, L wie Ludwig, Ü wie Üda, M wie Mama, nochmal Ü wie Üda und R wie Richter"


Ich habe mir das Schmunzeln verkniffen. Üda scheint in Pülümür ein gebräuchlicher Vorname zu sein.




Aus der Reihe: Fast pfiffig, die Idee!

Mein heutiger Liebling ist mir gerade eben erst begegnet. Vermutlich ist es eher ein Fall von "Da hätte man wahrscheinlich dabei sein müssen!" Aber ich versuche mal, ihn euch zu beschreiben:

Ein junger Mann Anfang 20 betritt die Wache. Er ist ganz rot im Gesicht und spricht ein wenig verstockt. Halblaut erklärt er mir, dass er heute nach 25 (!!!) Monaten seinen Führerschein wiederbekommen und direkt auf der ersten Fahrt einen Außenspiegel touchiert hat. Kann ja mal passieren.
Na klar, er hat kurz angehalten und geguckt, aber da war kein Schaden zu sehen, und als dann nach fünf Minuten noch kein Halter da war, ist er weitergebraust. Mit diesem Teil der Geschichte ist das StGB nicht so 100% einverstanden, aber die Geschichte ist ja auch noch nicht zu Ende:
Ungefähr zwei Kilometer weiter hat er dann direkt den nächsten Spiegel berührt. Ist ja klar, ihm fehlt ja auch Fahrpraxis... und auch da kam kein Halter. Also brauste er munter weiter.

Ein paar Stunden später meldete sich dann sein Gewissen (oder war es die Sorge um den Führerschein?!) - Was, wenn doch da ein Schaden war? Was, wenn jemand beobachtet hat, wie er einfach weiterfuhr? Also ab zur Polizei, die Sache melden und die Schäden regulieren.

Soweit eine pfiffige Idee... ich rate aber dazu, sich dann mehr zu merken als "das waren ein roter Polo aus den 90er Jahren und ein Opel in dunkel silber grau metallic". 
Wie bitteschön soll ich diese beiden Fahrzeuge ermitteln? Hoooo....

Notiz an euch:
Wenn ihr mal irgendwo nicht sicher seid, ob ihr einen Schaden verursacht habt (und erst recht wenn ihr sicher seid, dass ihr es habt), bleibt vor Ort, fahrt nicht weg, und wenn der Halter nicht da ist, ruft die Polizei...

...sonst ist nachher noch für 25 Monate der Lappen weg und dann fehlt die Fahrpraxis, und was dann passiert wisst ihr ja schon... 

Freitag, 10. Mai 2013

Einfach mal praktisch denken!

Mein Favorit heute bzw. letzte Nacht:

Eine Glastür mit Spion. Das ist architektonischer Humor nach meinem Geschmack!

Donnerstag, 9. Mai 2013

Ach so!

Mein Favorit heute ist aus der Kategorie 'Kurz und bündig':

"Guten Abend. Verkehrskontrolle. Schalten Sie bitte die Innenbeleuchtung ein!" - "Wie meinen Sie das?" "Sie sollen bitte innen die Beleuchtung einschalten." - "Ach sooo..."

Ich muss mir wohl angewöhnen, mich klarer auszudrücken...

Sonntag, 5. Mai 2013

Prawo jazdy?!

Da ich im Augenblick nicht so schöne Geschichtchen erlebe oder sie mir zumindest nicht auffallen, bediene ich mich eines weiteren alten Anekdötchens:

Spätdienst im Herbst vor einigen Jahren. Ich bin mit einer Kollegin am Bahnhof auf Streife, als uns ein Auto in der Busspur auffällt. Den fragen wir doch mal, was er da vorhat...
Am Steuer sitzt ein junger Mann, der mich freundlich anlächelt, auf meine Frage nach Führerschein und Fahrzeugschein aber den Beifahrer antworten lässt: "Sie müssen entschuldigen, der Mann kommt aus Polen. Aber ich kann übersetzen!" Na dann, immerzu!

Daraufhin formt der Beifahrer mit seinen Daumen und Zeigefingern die Umrisse des Kartenführerscheins und sagt ziemlich laut und sehr langsam das Wort "Füüühr_eeeer_scheeeiiin", wobei er seinen Mund übertrieben bewegt, als als sei sein Begleiter wahlweise hörgeschädigt oder schwer von Begriff. "Pffff... So weit hätte mein Polnisch auch gereicht..." denke ich laut. Das Sprachtalent auf dem Beifahrersitz hat aber noch ein Ass im Ärmel: Er kann auch sehr gut Englisch, wie er stolz erzählt. "Danke. Englisch kann ich selbst!" versuche ich die Kontrolle irgendwie voranzubringen. Der Dolmetscher hat wohl zwischen den Zeilen gelesen, dass ich auf seine Dienste lieber verzichten möchte. Er steigt aus und verabschiedet sich von seinem Fahrer wörtlich mit einem freundlichen: "Sorry, I must to go now!"

My lovely mister singing club! So multilingual wäre wohl jeder gern...


Freitag, 3. Mai 2013

Safety wirklich first?

Ich freue mich ja grundsätzlich, wenn sich Erwachsene um die Sicherheit ihrer Sprösslinge bemühen, aber bei manchen Fragen kann ich mir nur noch vor den Kopf schlagen.
Das hier war so eine:
Ein älterer Herr ruft an. Er wirkt freundlich und sortiert und hat eine sehr konkrete Frage:
„Guten Tag ich hoffe Sie können mir weiterhelfen. Kennen Sie sich mit Kindersitzen aus?"
Ich stimme zu und bin gespannt, ob mein gefährliches Halbwissen seinen Ansprüchen genügt.

"Mein Enkel, der ist sechs Jahre alt. Am Samstag fahre ich mit ihm in den Urlaub. Braucht er noch einen Kindersitz?"
Na klar, den braucht er! Es sei denn, er ist schon größer als 1,50m - aber das halte ich für unwahrscheinlich. So weit ist die Gentechnik noch nicht... ;-) Ich versuche zu erklären, aber ich komme nicht weit.

"Wissen Sie: Er wird von seinen Freunden gehänselt, wenn er auf 'nem Sitz sitzt. Das ist ihm dann peinlich. Verstehen Sie? Kann man den dann nicht weglassen? Ausnahmsweise."
Wir sind dann irgendwie gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass er lieber sicher sitzt anstatt arschcool beim Unfall durchs Auto zu fliegen.

Was hat der eigentlich für seltsame Kumpels?!


Dienstag, 23. April 2013

Amanda Lear

Heute möchte ich euch von einer unserer Stammkundinnen erzählen und ich weiß nicht, ob euch gleich zum Schmunzeln oder Kopf schütteln zumute ist. Dieses Posting wird vermutlich ganz ohne Pointe auskommen, aber so ist das Leben. Manchmal ist da am Ende des Tages einfach keine.

Wir befinden uns in meinem letzten Nachtdienst.
Im Laufe der Nacht sind wir schon einige Male am Fenster der Frau vorbeigefahren, um die es gehen soll. Im Wohnzimmer blinkten immerzu die bunten Neonlichter eines maskenartigen Glasbildes, dessen Anblick jeden vernunftgesteuerten Menschen nach wenigen Momenten zur Weißglut bringt, und draußen war für ihre Verhältnisse recht leise Schlager zu hören. Amada Lear - Queen of Chinatown. Sowas in der Art. Ihr habt eine ungefähre Vorstellung. 
Jede Menge Krams hatte sie aus dem Fenster auf den Gehweg geworfen. Einen Hula-Huup-Reifen, ihren alten Staubsauger, Socken und irgendwelchen Schnickschnack. Alles, was sie wohl gerade nicht brauchte. Hinter den Gardinen lief sie stundenlang rastlos umher. Wir hatten sie bisher nicht zur Ruhe ermahnt. Solange sich die Nachbarn nicht gestört fühlen soll sie halt ihre Musik hören. Immerhin halten wir sie für wirr, aber nicht gefährlich. 

Um kurz nach fünf am Morgen beklagt sich dann doch noch ein Nachbar, dass er nicht schlafen kann.

Als wir klingeln, steht die Dame dann (mal wieder) sehr spärlich bekleidet vor uns. Immerhin ist sie dieses Mal nicht komplett nackt. Das kennen wir auch schon, und besonders mein Kollege freut sich über ihr Blümchennachthemd. 
In der Wohnung riecht es nach einer Mischung aus Katzenklo, alter Wäsche, Alkohol, Rauch und Müll. Es ist dieser Geruch, den wir schon so oft gerochen haben, und der das Ergebnis eines völlig aus dem Ruder gelaufenen Lebens zu sein scheint. So wie die Mischung aller Wasserfarben immer Braun ergibt, so ist die Mischung allen Chaos immer dieser Geruch.
Die Mischung aller McDonalds Produkte ergibt übrigens auch einen Sammelgeruch. Aber einen anderen... und ihr kennt ihn alle! ;-) Ich schweife schon wieder ab...

Unsere Ruhestörerin begrüßt mich mit meinem Namen und wischt sich mit dem Ärmel ihres Nachthemdes eine große Portion Schnodder aus dem Gesicht. Dann fängt sie an, wie ein Wasserfall komplett wirr und zusammenhanglos zu daher zu reden. Ihr gesetzlicher Betreuer, der eigentlich helfen soll, das Chaos in ihrem Leben zumindest in beherrschbare Bahnen zu lenken, hat sie angeblich ausgeraubt - über diesen Gedanken heult sie los greift mit ihren Schnodderfingern nach meiner Jacke. Och nee, bitte nicht anfassen... Ich weiche zurück und versuche, ein Gespräch über ihre Geldsorgen zu beginnen. Aussichtslos. Vermutlich wird sie ihr "Taschengeld" in Drogen und Alkohol investiert haben. Für Lebensmittel blieb da nicht mehr viel. 
Im nächsten Augenblick ist sie verliebt in den Kollegen, schnappt sich ein Plasikblumengesteck mit diversen klebrigen Anhaftungen vom Schrank und möchte ihm ein Geschenk machen. Noch während er mit spitzen Fingern dankend annehmen möchte, zieht sie ihr hastig Präsent zurück und schimpft, er sei ein blödes Arschloch, gerade bei ihr eingebrochen und solle sich jetzt verpissen.

Deutliche Worte. Aber wir kennen das alles schon und lassen sie stänkern. Ich bin mir außerdem sicher, dass sie uns damit nicht meint. Jetzt tapert sie in das, was eigentlich ein Badezimmer sein soll, aber irgendwie zu einem ausufernden Katzenklo mutiert ist.
Wann ihr Betreuer zuletzt bei ihr war, lässt sich nicht herausfinden, da muss ich wohl jemand anders fragen. Heute noch muss er sich jedenfalls kümmern. Dafür werden wir sorgen.

Wir verabschieden uns und ich bin mir nicht sicher, ob sie überhaupt wahrgenommen hat, dass wir ihre "Kompaktanlage" mitgenommen haben, damit die Schlagerparty ein Ende hat und die Nachbar zur Ruhe kommen. Erklärt habe ich's ihr, aber da waren ihre Gedanken gerade irgendwo jenseits der Reichweite meiner Worte.

Gut, dass es das System der gesetzlichen Betreuer gibt, die es irgendwie schaffen, dass auch solche Extremfälle vielleicht wieder zur Ruhe kommen. Und wenn sie wieder ein bisschen näher an der Realität lebt, dann darf sie auch ihre Kompaktanlage zurück haben. 

Versprochen.



Mittwoch, 17. April 2013

De omweg

Auch heute geht es um weibliche Navigation, allerdings ohne TomTom. Man munkelt ja, das räche sich zuweilen. Im März 2011 zum Beispiel:

Das Dorf, in dem ich arbeite, findet sich - Einheimische mögen mir die folgenden Zeilen großherzig verzeihen - nicht zwingend unter Nordrhein-Westfalens Top10 der angesagtesten Ausflugsziele. 
Trotzdem übergeben uns die Kollegen des Spätdienstes zu Beginn einer lauen Samstagnacht eine Touristin, die ohne unsere Hilfe vermutlich noch heute im Dorf verschollen wäre. Aber fangen wir ausnahmsweise mal vorne an.

Die Omi, die mir am Wachtisch gegenübersteht, spricht laut und deutlich in einer Sprache, die nicht meine ist. Sie erzählt etwas von "Kerk um tien uur" und einem "Uitstapje" mit ihrer "Vriendin", die direkt an der "Grens" wohnt.
Aber die Grens zu den Niederlanden ist geschlagene 120 Kilometer und mindestens vier Autobahnkreuze entfernt?! Sie versteht mich nicht recht. Ich verstehe, dass sie morgen um zehn in die Kirche möchte und eigentlich nur eine Freundin an der Grenze besuchen wollte. Hätte ja klappen können... 
Es stellt sich heraus, dass besorgte Anwohner sich bei der Leitstelle gemeldet haben, weil die Omi mit ihrem käsefarbenen Kennzeichen über Stunden durch die Reihenhaussiedlung brauste, ohne je irgendwo zu klingeln. Zum Glück wurde sie schließlich von einem Kollegen angehalten, dessen Niederländisch so weit über eine Frikandel-Bestellung hinaus reichte, dass bald klar wurde: Omi ist leicht vom Kurs abgekommen und möchte nach Hause.

Und Omi hat Hunger, denn - Hut ab vor ihrer Ausdauer - sie hat seit Freitagmorgen (Ja: Alle noch mal hübsch oben nachlesen, wann sie aufgegabelt wurde) in einem Wohngebiet in NRW ein Haus gesucht, das tatsächlich 120 Kilometer entfernt irgendwo an der Grenze nahe Venlo steht. Und zwar auf der niederländischen Seite. 
Nun hat unser hügeliges Revier mit Venlo ungefähr so viel Ähnlichkeit wie Omis Heimatland WM-Titel - um unsere Frau Antje zu verwirren hat es wohl trotzdem locker gelangt!
Bei Schokoriegeln und Mineralwasser schmieden Omi, der Kollege und ich also einen Plan für ihre Heimkehr. Die Überlegungen, ihr den Weg zu skizzieren, eine Routenplanung auszudrucken oder einfach "veel Geluk" zu wünschen, scheiden aus. Das Blümchen auf der Rückbank ist schon schrumpelig. Noch eine Nacht im Auto, womöglich noch weiter östlich, und Omi wird genauso welk - Das können wir nicht riskieren. Wie kriegen wir also einen nahezu leergefahrenen 60-PS-Fiesta, das durstige Blümchen und Omi wieder zurück in die Heimat?! Das Barvermögen der Weltreisenden beschränkt sich auf 20.- Euro (immerhin keine Gulden mehr, die letzte Währungsreform scheint sie noch in der Heimat verbracht zu haben), eine EC-Karte hat sie nicht und Verwandtschaft ist telefonisch (natürlich) nicht zu erreichen. Auch die Freundin, die sicherlich bei erkaltetem Koffie ebenso ausdauernd in den Niederlanden auf ihr Blümchen wartet, geht (natürlich) nicht ans Telefon. Ist ja auch schon spät... 

Als wir beratschlagen, ein Hotelzimmer zu buchen und am nächsten Morgen in Omis Sinne weiter zu telefonieren, meutert sie. Stimmt: Kerk, tien uur - Ich vergaß: So viel Zeit hat Omi nun wirklich nicht. Die hat sie ja auch zwischen nordrhein-westfälischen Reihenhäusern vertrödelt.

Über Umwegen erreichen wir telefonisch die Polizeiwache aus Omis Heimatdorf. Der Kollege mag uns die ganze Story wohl erst nicht so recht glauben, bittet um Bedenkzeit und vereinbart schließlich einen Treffpunkt, an dem wir ihm Omi in die Hand drücken dürfen. Das hatte ich mir irgendwie komplizierter vorgestellt. Omis Chancen auf den heimischen Kirchenbesuch sind soeben sprunghaft gestiegen. Also: Omi ins Auto und "Hup Holland, hup"!

Ich sag jetzt mal nicht, wo wir sie samt Fiesta und Blümchen an die Politie übergeben haben. Auf dem Weg dorthin haben wir jedenfalls ihre Reiseersparnisse in Benzin investiert, der Kollege hat sich sehr viel holländisches Gebrabbel angehört, davon sehr wenig verstanden und am Ziel hat die Chocomel sehr authentisch geschmeckt.

Überliefert ist übrigens, dass Omi jetzt zwar keinen Führerschein mehr besitzt, dafür aber pünktlich zum Gottesdienst zuhause war. Und den Koffie bei der Freundin kann man ja vielleicht in die Mikrowelle stellen. Omi hat doch sicher ein Fiets, mit dem sie zum Kaffeeklatsch radeln kann. Oder - noch besser - sie lässt sich abholen.

Mittwoch, 10. April 2013

Wohin des Weges?

Heute halte ich mich ganz kurz - Als Ausgleich zu dem Roman vom letzten Mal:

Es gibt, urlaubsbedingt, wieder einen 'All-Time-Favorite', diesmal haben wir es mit einer Verkehrskontrolle zu tun:

Frühdienst. Das Dorf hat neuerdings eine kleine (und völlig unnütze) Fußgängerzone. Einheimische ignorieren sie aus Prinzip, Navigationssysteme auch - aus Unwissenheit. Es herrscht also ein buntes Treiben, das wir uns heute mal aus der Nähe anschauen, und wer besonderen Wert darauf legt, der darf auch gerne ein Verwarngeld zahlen. Schauen wir mal...

Eine junge Dame im Hausfrauenflitzer hat sich scheinbar von TomTom den Weg weisen lassen. Sie erwidert mein "Guten Morgen" derart euphorisch, dass ich ihr reines Gewissen quasi sehen kann. Die Dame weiß garantiert nicht, dass ihr Auto hier nichts zu suchen hat, aber das erkläre ich ja jetzt: "Guten Morgen. Fahren Sie nach Navi?"

Unsere Verirrte strahlt noch immer wie ein Honigkuchenpferd: "Nöö, ich fahr' nach Hagen!"

...zumindest nicht gelogen...

Freitag, 5. April 2013

Nerven wie Stromkabel

Yeehaa! Ich habe Urlaub! 
Okay, genug geprahlt - Aber wenn schon keine neuen Favoriten eintrudeln bietet es sich doch förmlich an, den einen oder anderen alten Favoriten des Tages aus dem Hinterstübchen zu kramen, hübsch abzustauben und fein säuberlich hier einzusortieren. 
Da wäre zum Beispiel ein Einsatz aus der Reihe "ganz normaler Wahnsinn", wie ihn wohl alle Kollegen zu gut kennen dürften, aber da ich ja weiß, dass nicht nur Kollegen hier mitlesen, lasse ich euch trotzdem teilhaben.

Ich habe Spätdienst. Eine Frau um die Vierzig hat den Notruf gewählt. Sie begrüßt uns aufgeregt an der Tür eines gepflegten Einfamilienhauses und ist merklich erleichtert, dass wir endlich da sind. "...eigentlich nicht so gerne die Polizei ...blablabla... die Nachbarn denken, wenn ein Streifenwagen vor der Tür ...blabla... ausnahmsweise mal ihre Hilfe. (...) Kaffee? (...) Neffe bewirbt sich jetzt auch..."

Im Haus ist es, bis auf den pausenlosen Redeschwall unserer Melderin, still. Ich lasse den Blick schweifen und nicke ab und zu. Unterbrechen möchte ich sie noch nicht.
Hier dürfte ein wohl situiertes Ehepaar leben. Sie ist vielleicht Hausfrau und hat gerade die Blümchen gegossen, er sitzt im Büro. Heute Morgen hat sie ihm ein Bütterchen geschmiert, wie sie es immer tut und am Wochenende fahren beide mit dem Kombi zum Bummeln in die Stadt. Und sie tragen Wolfskin-Partnerlook, oder mindestens Tchibo. Oh, ich sollte weniger abschweifen und ihr besser zuhören:
"...deshalb bin ich ja auch so froh, dass sie gekommen sind. Das ist doch nicht normal, dass man den Strom hört." Endlich hält sie kurz inne. Wir hören: Nichts.
Inzwischen stehen wir im Schlafzimmer. Das Bett ist von der Wand gerückt. Neben dem Nachtschränkchen liegen die Stecker der Lampen auf dem Boden. Die Steckdosen sind leer. In der Deckenlampe fehlt die Glühbirne. 
"Ich bin doch nicht wahnsinnig. Oder? Sie hören das doch auch. Ich kann überhaupt nicht mehr schlafen. Das Telefon hab' ich auch rausgezogen. Sowieso alle Stecker. Ich mach schon immer Kerzen an, abends. Das Handy muss ich immer ausschalten - Ich werde hier noch verrückt. Da baut man sich ein Häuschen und dann passiert sowas. Der Elektriker hat auch nichts gefunden (...) Defekt (...) Angst (...) Sicherungen raus (...) Manchmal denke ich, da sind Menschen hinter der Wand. Die schalten was ein. Woher soll das sonst kommen? Sagen Sie's mir. Mein Mann sagt, ich spinne."
Da ist der Redeschwall ja wieder. Ihr Contra zu geben scheint aussichtslos. Sie hört den Strom und wie soll ich auf die Schnelle  beweisen, dass das nur in ihrem Kopf stattfindet?

Ich schlage vor, sie soll eine Nacht auf der Couch schlafen und am nächsten Morgen zum Hausarzt gehen. Dem hat sie bisher von ihrem Problem noch nichts erzählt. Es war ihr peinlich. Aber mein Hinweis, dass es nie falsch sein kann seinem Arzt zu sagen, dass man bei ihr im Haus den Strom hört und dass das ja irgendwie ein Gesundheitsrisiko sein könnte, kommt an.
Der Kollege verdreht im Hintergrund die Augen. Er würde ihr wohl lieber sagen, dass man wegen so einem Schwachsinn gefälligst nicht die Polizei ruft. 
Ich bequatsche die Dame einfach trotzdem so lange, bis sie die Nummer ihres Hausarztes aus dem Telefonbuch sucht. Wer sagt's denn: Geht doch.

Auf dem Weg zur Haustür werfe ich einen Blick ins Wohnzimmer. Draußen wird's langsam dunkel, aber der Fernseher läuft und ist stumm geschaltet. Der Fernseher läuft? Sie hat doch alle Stecker rausgezogen!? Tatsache. Schräg hinter der Tür sitzt ein Mann in Karohemd und Jeans auf dem Sofa. Er trägt Kopfhörer und scheint mich nicht gesehen zu haben, bis ich mich fast vor den Bildschirm stelle. Na, der Kerl hat Nerven! Seine Frau wählt die 110 und anstatt sie zu beruhigen oder irgendeinen Plan zu schmieden guckt der Herr gemütlich TV-Nachmittagsprogramm. Entweder ist er ganz schön abgezockt oder überfordert.

Während der Kollege versucht, die Dame des Hauses abzulenken, ermutige ich ihn, seine Frau doch zum Arzt zu begleiten. Er bleibt einigermaßen stur. "Ach. Was die sich da wieder einredet. Strom hören? Die spinnt!"

"Ich glaube nicht, dass Ihr Frau spinnt. Ich glaube, dass sie Hilfe braucht! Ihre vielleicht?! Zumindest hat sie nicht aus Langeweile den Notruf gewählt, alle Stecker rausgezogen und uns durch's ganze Haus geführt. Oder?" Huch. Der saß. Aber er wird's mir nicht übelnehmen. Und wenn morgen der Hausarzt nicht plump diagnostiziert, dass sie spinnt, dann könnte das mit der Hilfe sogar was werden.

Das Ganze ist schon ein paar Jahre her. Soweit ich weiß hat sie nicht wieder den Notruf gewählt und ich habe noch einige andere Wohnungen "entstrahlt", Redeschwälle angehört und Schatten an der Wand verjagt. 
Und wenn ich an dem Haus unserer Protagonistin vorbeifahre gucke ich immer, ob man den Fernseher flackern sieht. Vielleicht gucken die Zwei ja inzwischen wieder gemeinsam. Wär' doch was. Man muss ja nicht immer gleich Räuber schnappen, um erfolgreich gearbeitet zu haben. 

Oder?

Donnerstag, 4. April 2013

Das Darlehen

Der Favorit heute ist von gestern. Also: kalendarisch.

Ich sitze in einem sich zäh dahinschleppenden Nachtdienst von der gefühlten Länge einer vollständig auseinandergeknispelten Lakritzschnecke und warte, dass sich wenigstens jemand zu mir verwählt, als ein zotteliger Mitbürger die Wache betritt.

Heureka! Besuch! Ich stelle die Rückenlehne senkrecht und schalte die Musik aus. Hereinspaziert!

Zottel verzichtet freundlicherweise auf störende Begrüßungsfloskeln und fummelt stattdessen lieber an einem Mörderpickel in seinem Gesicht: "Ich hab mein' Schlüssel beim Kumpel vergessen. Könn' Se ma die Hausmeisterin Bescheid sagen? Und wann fährt überhaupt wieder ein Bus?"

Okay: Wir kennen uns. Mein Gast bewohnt ein Zimmer im Obdach und verdient sich ein Zubrot in der "Genussmittelbranche". ;-)

"N Abend! Einen Schlüssel vom Obdach haben wir leider nicht. Da kann ich Ihnen vermutlich nicht helfen!" Ich krame in den Outlook-Kontakten nach der Nummer der Hausmeisterwohnung - erfolglos.
"Eine Nummer habe ich auch nicht. Haben Sie eine? Oder den Namen? Dann rufe ich da mal für Sie an, damit Sie jemand rein lässt" Leider Fehlanzeige. Wäre ja auch zu einfach.

"Aber die Hausmeisterin ist eh nich Zuhause. Weiß ich zufällig." raunt der (noch) Bepickelte. Ich fahre elektrisch den Schreibtisch hoch. Wenn das Teil platzt, möchte ich bitte hinter den Monitoren Deckung finden. "Na, das wäre ja ein recht kurzes Telefonat geworden wenn da eh niemand rangeht. Dann müssen Sie wohl zurück zum Kumpel, den Schlüssel holen..."

"Geht nicht. Keine Lust. Das ist auch zu weit weg. Können Sie den holen?" Langsam wird er knatschig und hat eine neue Idee: "Können Sie mir Geld leihen?"

Mein überraschter Gesichtsausdruck scheint an der Spritzschutzwand vorbei zu ihm durchgedrungen zu sein. Er schiebt nach: "Sie kennen mich ja, Sie wissen ja dann, wer's hat! Kommen Sie: Zehn Euro."

Vor allem weiß ich, wer's nie wieder sehen würde... "Nein, wir sind leider weder Schlüsseldienst noch Kreditinstitut. Das geht nun wirklich nicht."

Zottel ist beharrlich, nicht nur in seinem Gesicht: "Ey Maaaaaan... Zehn Euro. Komm. Sie können sich doch merken wer's hat! Sie haben mich doch letztens noch eingewiesen. Wir kennen uns doch."

Das ist irgendwie nicht die Art Gespräch, die ich mir zur Zerstreuung gewünscht hatte. Schade. Bis eben hatte ich doch noch Lust auf Besuch. Aber der fordernde Tonfall meines Kreditnehmers und seine Unzufriedenheit über den zweifellos hartnäckigen Pickel, gemischt mit meiner Gewissheit, dem Knilch wohl heute nicht wirklich helfen zu können, lassen mich den Ausgang des Gesprächs ahnen...
Bevor's also zum Streit kommt kürze ich die Angelegenheit lieber ab: "Hören Sie: Ich leihe Ihnen kein Geld. Gehen Sie mal zu Ihrem Kumpel zurück, schnorren Sie sich da 'n paar Euro und dann mit dem Schlüssel ab nach Hause. Wie wär' das?"

"Hmmmmmm...muss ich jetzt gehen? War das der Rauswurf, oder wie?"

"Ja. Soll ich noch schauen, wann hier vorne Ihr Bus kommt?"

"Nee, ich fahr' eh schwarz." 

Da geht er hin, mein einziger persönlicher Kundenkontakt dieser Nacht, und nuschelt sich halblaut ein "Die Bullen ey... pfffff... ers' nich' aufschließen und dann nich' mal zehn Euro... Mist hier!" in den Zottelbart.
Sein einzig erfolgreicher Moment des Abends dürfte unmittelbar mit dem leisen Aufpoppen des Eiterbläschens zu tun gehabt haben.
...Aber immerhin...